Versuchte „Entjudung“ in Frielingen

Während in Europa der Krieg tobte, verschärfte sich in Deutschland die nationalsozialistische Politik der Judenverfolgung und -vernichtung. Aus Frielingen ist über einen Fall der versuchten „Entjudung“ von Grundbesitz zu berichten[1], der in der Chronik des Landkreises Hannover sehr verkürzt erwähnt wurde[2].

Im Mai 1940 trat der Oberforstmeister a. D. W. aus Otternhagen als Vertreter einer Erbengemeinschaft an den Landrat in Neustadt heran, um in den Besitz einer bestimmten Waldparzelle, „Dühningskoppel” genannt, zu kommen. Diese lag in der Frielinger Gemarkung und sollte seinen Angaben nach einst im Eigentum des jüdischen Handelsvertreters Magnus Cornelius aus Bremen gewesen sein. W. verlangte, dass Cornelius aufgrund der „Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 enteignet werden sollte, damit er die Parzelle dann übernehmen könnte. Das an der Gemeindegrenze nach Otternhagen liegende Waldstück war 2,5 ha groß, grenzte an den weitaus größeren Besitz der besagten Erbengemeinschaft und hätte diesen vorteilhaft abgerundet. Der Landrat in Neustadt wandte sich nach Erhalt des Schreibens an den Frielinger Bürgermeister, um von dieser Seite eine Stellungnahme in der Angelegenheit zu erhalten. Dieser antwortete, dass es im Dorf selbst genügend Leute gäbe, die an der Holzkoppel Interesse hätten. Man würde eine Forstinteressengemeinschaft gründen und die Parzelle erwerben, um der ewigen Holzknappheit etwas entgegenwirken zu können.

So wurde dem Landrat mitgeteilt, dass die Gemeinde Frielingen die Holzkoppel käuflich erwerben wolle. Nun schrieb der Landrat ultimativ an Cornelius, ob und zu welchem Preis er verkaufen wolle. Falls er dies nicht freiwillig täte, drohte man ihm die Enteignung nach der o. g. Verordnung an. Dem Oberforstmeister a. D. wurde mitgeteilt, dass die Gemeinde Frielingen gegebenenfalls Vorrang hätte. An dieser Stelle sei nochmals hervorgehoben, dass ursprünglich nicht die Gemeinde die Enteignung betrieb, sondern besagte private Person.

Nun war ein Jude namens Magnus Cornelius in Bremen unbekannt. Nach weiteren bürokratischen Anstrengungen bekam man schließlich heraus, dass der Besitzer der Waldkoppel Richard Cornelius hieß, in Bremen wohnte, aber aufgrund seiner Abstammung „nur ein Halbjude“ war. Demgegenüber behaupteten ältere Frielinger, Cornelius wäre ein „Volljude“. Entscheidend war dann, dass Cornelius aufgrund der „arischen“ Abstammung seines Vaters nicht mehr unter die Enteignungsbestimmungen fiel[3].

Um das Bild des Falles abzurunden, bleibt noch der Hinweis, dass die Kreisleitung der NSDAP in Neustadt während der ganzen Dauer der Ermittlungen Druck auf den Landrat ausübte, da man dessen allzu gründliche Recherchen über zwei Jahre missbilligte und eigentlich kurzen Prozess im Sinne des Oberforstmeisters a. D. erwartet hatte.

Cornelius blieb Eigentümer des Grundstücks. Als 1947 „Schenkungen und Verkäufe durch Behörden im Dritten Reich“ vom Kreis Neustadt überprüft wurden, wurde am 28. Juli festgestellt, dass „in der Gemeinde Frielingen keinerlei Beschlagnahmungen seitens der Nazis vorgenommen“ worden seien.[4]

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[1] HStA Hann, Hannover 174 Neustadt Nr. 3164.

[2] H. Droste, Heimatchronik des Landkreises Hannover, Hannover/Köln 1980.

[3] zur Frage der Grundstücksvorbesitzer siehe Hofgeschichte Nr. 28, Chronik Frielingen S. 332-335. Dort heißt es:

Nach 1861 erfolgten Landverkäufe durch Rosenstein und später auch dessen Erben. So ist festgehalten, dass ein Julius Rosenstein 1874 2 Morgen Land verkauft hat. Käufer waren Kolze und Wegener. Wegener hatte 1865 bereits das Grundstück mit dem von Runges errichteten Nebenwohnhaus erworben und daraus die Stelle mit der alten Nr. 42 gemacht. Weitere 3 Morgen auf der „Farling“ erwarb 1874 Heinrich Passe (Hof Nr. 23). Im Mai 1875 gaben Rosensteins die Stelle endgültig auf und verkauften auch das Wohnhaus Nr. 29 nebst Garten und verzogen nach Bremen.

[4] Archiv des Landkreises Hannover, Neustadt, Signatur 1564.