Südliches Flair am Lärchenweg

Fünf Jahre Flüchtlingswohnheim Frielingen

Zurzeit wird viel über die freie Zuwanderung von Rumänen und Bulgaren diskutiert, besonders heftig in Bayern. Heftig diskutiert wurde auch in Frielingen, als von Ende 1992 bis Ende 1997 am Ende des Lärchenweges ein Flüchtlingswohnheim stand, auf dem so genannten Friedhoferweiterungsgelände. Anfangs versuchte der Ortsrat Horst, das Wohnheim auf politischem Wege zu verhindern. So sollte ein Teil eines Landschaftsschutzgebietes bebaut werden – wenn auch nur für fünf Jahre. Aber für die Flüchtlinge während der Jugoslawienkriege 1991 gab es keine Alternativen zu den größeren Wohneinheiten, wie sie auch in Frielingen geschaffen werden sollte. Einer der unmittelbaren Anlieger gründete darum im Juni 1992 eine „Interessengemeinschaft Bürgereinspruch Frielingen“. Er unterstellte, heimlich sei ein neues Baugebiet auf dem Grundstück geplant. Eines der von ihm verteilten Flugblätter ist auf Seite 156 der Chronik auszugsweise wiedergegeben.

Kurz vor der Fertigstellung

Die „Flöck-Heim- und Betreuungsgesellschaft mbH“ betrieb schon mehrere Wohnheime für Flüchtlinge in Garbsen. Sie errichtete für bis zu 150 Menschen etwa 30 aneinander gereihte kleine Gebäude aus Holz, die an Gartenhäuser oder Wochenendhäuschen erinnerten. Sie stellte ein Betreuerteam ein und zog um das ganze Gelände einen Zaun. Zur vorhandenen Bebauung am Lärchenweg hin wurde ein Erdwall aufgeschüttet und bepflanzt.

Und dann kamen Hussein und Yussuf, Drita und Laftim, Gezim und Sadigh nach Frielingen. Bunte Kleider und schwarze Haare, Großfamilien und fremde Sprachen bestimmten mehr als jemals zuvor das Bild des Dorfes mit. Die Menschen kauften bei uns ein, fuhren mit den Bussen und schauten vereinzelt auch mal beim Sportverein vorbei. Sie lernten Deutsch und traten vielfältig mit den Frielingern in Kontakt.

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Aus der Chronik

Viele Frielinger nannten die Wohnheimanlage von Anfang an und wie vielerorts „Asylantenwohnheim“, weil sie die dort lebenden Menschen nicht ohne weiteres als Flüchtlinge ansahen. Diese kamen zwar aus Afghanistan, den kurdischen Siedlungsgebieten in der Türkei, dem Libanon, Vietnam, den Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien und aus den GUS-Staaten, also aus Ländern, in denen Krieg und Not herrschten. Aber sie bekamen ein Dach über den Kopf, erhielten finanzielle Unterstützung und Kleidung, ihnen wurden Sprachkurse bezahlt und manche arbeiteten sogar hier. Die Kinder besuchten Kindergarten und Schule und in den meisten Wohnungen dieser Menschen standen Fernseher und Videorekorder. Da hatte man doch ein anderes Bild von „Flüchtlingen“ im Kopf, das aus der Zeit nach 1945.

Die Horster Kirchengemeinde versuchte bei der Integration dieser neuen Bewohner zu helfen. Es gab mehrere Treffen im Horster Gemeindehaus unter der Leitung von Sozialarbeitern des Kirchenkreises, bei denen überlegt wurde, wie Hilfe der einheimischen Bevölkerung für die Flüchtlinge organisiert werden kann. Auch die Leitung des Wohnheimes, anfangs Barbara Krohn, später Petra Reine und Frau Stark sowie weitere Mitarbeiter, bemühte sich sehr um die Integration ihrer Schützlinge. Sie organisierte im Sommer 1993 auf dem Gelände des Wohnheimes einen Tag der offenen Tür, bei dem sehr viele Frielinger einmal vorbeischauten und Kontakte zu den Flüchtlingen knüpften. Trotz der Bemühungen aller Beteiligten brachte die Situation auch Probleme mit sich. Vor allem im Lärchenweg machte sich an Sommerabenden im Freien südliches Flair breit; manchmal war es auch lauter und die Polizeistreife musste öfter als früher in Frielingen vorbeischauen. Die direkten Nachbarn litten zum Teil unter der Unruhe, die nun nahezu rund um die Uhr Einzug gehalten habe. Der Heimleitung und der Stadt Garbsen gelang es jedoch, in Frielingen vor allem komplette Flüchtlingsfamilien einzuweisen und z. B. männliche Junggesellen, die sich hier oft langweilten, in anderen Heimen in städtisch geprägten Ortsteilen unterzubringen.

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Blick aus Westrichtung etwa 1995

Ende 1997 waren die meisten Flüchtlinge bereits wieder ausgezogen. Einige hatten in Garbsen eine richtige Wohnung gefunden, mehrere mussten in andere Wohnheime umziehen, viele wurden als Asylbewerber abgelehnt und in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Manch einer tauchte unter oder erlangte im benachbarten Ausland ein Duldungsrecht für weitere Jahre.

Die kleinen Holzhäuschen verschwanden jedenfalls nach 5 Jahren wieder, die Erschließungsanlagen sowie der Erdwall wurden abgebaut bzw. entfernt und es kehrte wieder Stille im Dorf ein.

Nachträglich besehen hatten die Flüchtlinge auch unser Leben nicht nur verändert, sondern auch bereichert.

So berichtete die "Leine-Zeitung" am 27.8.1997